Super Apps: In China Teil des Alltags, in Deutschland noch in der Entwicklung. Ob sie das Potential haben, den deutschen Markt zu erobern? Wir haben Verbraucher nach ihrer Meinung gefragt.
In diesem Artikel
- Super Apps: Definition
- Super-Verwirrung: Nur 11 % der Bevölkerung weiß, was Super Apps sind
- Datenschutz und Sicherheit sind Super-App-Nutzern am wichtigsten
- Super-App-Interessenten: Der größte Nachteil ist die Weitergabe persönlicher Daten an einen Anbieter
- Super-App-Skeptiker: Eine App, sie zu knechten?
- Sind Super Apps die Zukunft?
Super Apps: Der Traum eines jeden Plattform-Unternehmens. Ein Ort, den die Nutzer quasi für alle täglichen Bedürfnisse besuchen können - mit Familie und Freunden kommunizieren, shoppen, Rechnungen bezahlen, Reisen buchen, Musik hören etc. - und im Bestfall gar nicht mehr verlassen.
Als Wiege der Super Apps gilt China, wo besonders WeChat und Alipay beliebt sind und bis 2025 zusammen voraussichtlich eine Nutzerbasis von um die 2,5 Milliarden Nutzern (Bericht in Englisch) erreichen werden. Auch westliche Unternehmen wie PayPal, Uber, Klarna und Revolut wollen auf den Super-App-Trend aufspringen und arbeiten entweder an ihrer eigenen Super App oder haben sie bereits gelauncht. Die Unternehmen scheinen das richtige Gespür zu haben, denn auch Gartner prognostiziert, dass 50 % der Weltbevölkerung bis 2027 täglich Super Apps nutzen und dass sie diese Plattformen in Zukunft auch Chatbots, Technologien für das Internet der Dinge (IoT) und immersive Erfahrungen wie das Metaverse unterstützen werden.
Wie steht die deutsche Bevölkerung zu Super Apps? Dieser Frage geht GetApp nach und hat dafür über 1000 Verbraucher befragt. Während es im ersten Teil der Studie darum ging, wie Verbraucher mit herkömmlichen Apps umgehen, wollten wir im zweiten Teil unter anderem wissen, wie viele Deutsche aktuell Super Apps benutzen, wie viel sie für Super Apps bezahlen würden und welche ihrer Meinung nach die Vor- und Nachteile von Super Apps sind. Die vollständige Methodik findest du am Ende des Artikels.
Super Apps: Definition
Eine Super-App ist eine All-in-One-App, die eine breite Palette von Services und Funktionen bietet. So kannst du die unterschiedlichsten Dinge direkt in einer App erledigen, statt mehrere verschiedene Apps zu nutzen.
Super-Apps sind oft sehr breit gefächert und können Funktionen wie soziale Netzwerke, Onlineshopping, Bankgeschäfte, Zahlungen für Transport bzw. Fahrkarten, Spiele, Musik und mehr umfassen. Sie sollen bequem und effizient nutzbar sein und als zentrale Anlaufstelle für die unterschiedlichsten alltäglichen Anforderungen dienen.
Mit anderen Worten: Super Apps bündeln Dienste, für die man sonst eine ganze Sammlung von Apps bräuchte. Und genau das ist das Verkaufsargument. Denn warum all diese separaten Passwörter aufbewahren und eine Bibliothek von Apps (die ständig aktualisiert werden müssen) durchsuchen, um diejenige zu finden, die eine bestimmte Aufgabe erledigt, wenn man stattdessen eine einzige App haben kann, die alles erledigt?
Allerdings muss man auch festhalten, dass die Definition der Super App nicht zu 100 % präzise ist und gegen andere Arten von Apps abgrenzt, die beispielsweise verschiedene Funktionen umfassen, jedoch nicht als Super Apps gelten, sondern eher als spezielle App-Ökosysteme (dazu unten mehr).
Zu den aktuellen Top-Super-Apps zählen übrigens WeChat, AliPay, Grab, Gojek und Zalo, die vor allem in Asien boomen.
Super-Verwirrung: Nur 11 % der Bevölkerung weiß, was Super Apps sind
Anscheinend herrscht einige Verwirrung darüber, was genau eine Super App ist, was als Super App gilt und ob sie in Deutschland verfügbar sind. So gaben zum Beispiel 53 % der Befragten an, dass sie weder das Konzept noch den Begriff der „Super App” kannten, bevor sie unsere Definition gelesen hatten. Nur 11 % wussten genau, was Super Apps sind.
Auf die Frage, ob Super Apps in Deutschland verfügbar sind, antworteten 47 % zudem mit „Nicht sicher”, 44 % mit „Ja” und 9 % mit „Nein”.
Die Verwirrung ist verständlich, denn es gibt, wie oben erwähnt, in der Tat einige Apps, die mehrere Funktionen beinhalten, jedoch nicht unter die Definition von Super Apps fallen, sondern eher als App-Ökosysteme zu verstehen sind (wobei Super Apps ebenfalls Ökosysteme sind).
Ein Ökosystem ist ein Satz von Diensten, die eine Lösung für bestimmte Kundenaufgaben bieten. Solche Apps sind in Europa weiter verbreitet als Super Apps und können als Art Hybridlösung zwischen einfachen Apps und Super Apps verstanden und von einigen Verbrauchern irrtümlich als Super App interpretiert werden. Ein Beispiel dafür ist Apple: Anstatt aus einer Super App, die eine große Bandbreite von Mini-Apps beinhaltet, besteht das Apple Ökosystem aus der gemeinsamen Nutzung von Apple Hardware, Software und Diensten, die miteinander arbeiten und interagieren können. Für jeden Bedarf gibt es also eine eigene App - ApplePay, AppleMusic, iMessage, AppleTV etc.
Das ist allerdings nichts im Vergleich zu den großen Super-App-Playern. So soll WeChat beispielsweise aktuell an die zwei Millionen Mini-Apps anbieten.
Eine Super-App dagegen ist ein Super-Ökosystem, das aus Mini-Apps sowohl interner Entwickler als auch verschiedener Drittanbieter besteht, die auf einer einzigen Plattform basieren. Damit eine App als Super App bezeichnet werden kann, sollte sie generell diese Dienstleistungen (Artikel in Englisch) beinhalten:
- Social-Media-Plattformen
- E-Commerce-Dienste
- Finanzdienstleistungen
- Lieferservice für Lebensmittel und Mahlzeiten
- Zahlung von Rechnungen
- Transport
Während bekannte Namen wie Meta (vormals Facebook), Google und Apple auf dem besten Weg sind, Super-App-Status zu erreichen, sind sie doch noch nicht ganz angekommen. Das liegt zum einen daran, dass die meisten Apps die oben aufgelistete Bandbreite an Dienstleistungen noch nicht in vollem Umfang anbieten. Zum anderen aber vor allem auch an den in der EU herrschenden strengen Datenschutzbestimmungen (dazu später mehr) sowie den ebenfalls strengen Vorschriften für Finanzfunktionen, auch bekannt unter dem Begriff „In-App Checkout”. Damit können Verbraucher in Asien oder den USA ihren Einkauf direkt in der App abschließen, ohne sie verlassen zu müssen. Das erweist sich in Europa als große Hürde. Solange App-Entwickler diese echte Einbettung der Bezahl- und weiteren Finanzfunktionen (Artikel in Englisch) in ihrer App nicht erreichen, bleibt der Status der Super App für sie in Europa vorerst unerreichbar.
Von den Teilnehmern, die auf die Frage, ob Super Apps in Deutschland verfügbar sind, mit „Ja” geantwortet haben, sagten 40 %, dass sie aktuell eine Super App verwenden. Um diese Teilnehmergruppe geht es im nächsten Abschnitt.
Datenschutz und Sicherheit sind Super-App-Nutzern am wichtigsten
Bequemlichkeit ist wohl der größte Vorteil bei der Nutzung von Super Apps. Wie sehr Verbraucher auf sie angewiesen sind, zeigen die Ergebnisse. 33 % nutzen ihr Super App(s) zehn bis 19 Mal pro Tag, 27 % verwenden sie ein- bis neunmal täglich, und bei einem weiteren Viertel (25 %) kommen sie mehr als 20 Mal pro Tag zum Einsatz. Die drei wichtigsten Faktoren beim Nutzen einer Super App sind für sie dabei:
Zu den beliebtesten Dienstleistungen, die Verbraucher über Super Apps nutzen, zählen Social Media (44 %) und Online-Shopping (ebenfalls 44 %).
Vor- und Nachteile
Unter den vielen Vorteilen von Super Apps stechen zwei besonders heraus. Wie zu erwarten, sehen es Super-App-Nutzer eindeutig als Gewinn an, dass sie weniger einzelne Apps auf ihrem Smartphone installieren müssen. Dieser Faktor belegt mit 60 % allerdings nur den zweiten Platz. Der größte Vorteil von Super Apps ist in den Augen der Befragten, dass die Anbieter von Super Apps zuverlässig sind (64 %).
Demgegenüber nennen die Verbraucher mit 60 % die Abhängigkeit von Technologien als größten Nachteil von Super Apps, gefolgt von der Tatsache, dass Anbieter zu viele persönliche Informationen über den Nutzer erhalten (52 %).
Dieser Nachteil stellt auch einen der Hauptgründen dafür dar, warum Super Apps in Asien, besonders in China, boomen, aber nicht in Europa. Die europäischen Datenschutzgesetze gehören zu den strengsten weltweit. Das ist eine Herausforderung für Super-Apps-Entwickler, deren Geschäftsmodell das Sammeln und Verarbeiten persönlicher Daten ihrer Nutzer ist. In China gibt es keine vergleichbare Hürde.
Ein weiterer Grund dafür, warum Super Apps in Asien so erfolgreich sind, ist, dass viele Wettbewerber aus verschiedenen Bereichen (z.B. WhatsApp, Facebook, YouTube und Google) in China verboten und Hersteller von Super Apps so mit weniger Konkurrenz konfrontiert sind.
Nach diesem Überblick zur Meinung der Super-App-Nutzer wenden wir uns nun im zweiten Schritt der Teilnehmergruppe zu, die zwar noch keine Erfahrung mit Super Apps gemacht hat, aber daran interessiert ist. Zum Schluss untersuchen wir die Position der Befragten, die ebenfalls unerfahren im Umgang mit Super Apps sind, aber auch kein Interesse daran haben.
Super-App-Interessenten: Der größte Nachteil ist die Weitergabe persönlicher Daten an einen Anbieter
Die Meinung der Interessenten zu den Vorteilen von Super Apps deckt sich weitgehend mit den Aussagen der Super-App-Nutzer. Als Hauptgrund für ihr Interesse daran, Super Apps zu verwenden, geben 69 % den Vorteil an, damit Zeit sparen zu können, indem sie mehrere Funktionen oder Dienste an einem Ort nutzen. Als zweiten Grund nennen 53 % Bequemlichkeit. Super Apps seien komfortabel und sie müssten nicht zwischen mehreren Apps für verschiedene Services wechseln.
Die drei wichtigsten Funktionen und Dienstleistungen, die die Befragten in einer Super App am liebsten nutzen würden, sind dabei E-Mails (53 %), Social Media (ebenfalls 53 %) und Zahlungen per Smartphone (z.B. Online Banking, Apple Pay, PayPal) (46 %).
Auch zu den Nachteilen von Super Apps äußern die Super-App-Interessenten ähnliche Ansichten wie die vorherige Teilnehmergruppe. Der größte negative Aspekt ist für sie, dass zu viele persönliche Daten an den Anbieter einer einzigen App übertragen würden (51 %). Zudem stört 44 % die Zentralisierung, die Teil des Super-App-Modells ist, sodass sie bei technischen Problemen nichts mehr erledigen können.
Eine Technologie, ein Produkt oder einen Service kostenlos auszuprobieren, ist eine Sache. Dafür finanzielle Mittel einzusetzen ist eine ganz andere.
Für Super Apps bezahlen? Nein, danke!
Das Interesse daran, Super Apps auszuprobieren, besteht. Dafür Geld auszugeben dagegen weniger. Diese Einstellung zeigt sich deutlich in den Ergebnissen. So gab ein Viertel (26 %) der Interessenten auf die Frage, wie viel sie bereit wären, für eine Super App in einer Einmalzahlung auszugeben, dass sie nicht bereit seien, für Super Apps zu bezahlen. Ein weiteres Viertel (24 %) ist immerhin gewillt, ein bis drei Euro auszugeben.
Die ablehnende Haltung lässt sich anhand von Abonnements (wöchentlich, monatlich oder jährlich) für Super Apps noch besser abbilden. Bei wöchentlicher Zahlung erklärten 53 %, dass sie nicht bereit sind, für Super Apps zu bezahlen, bei monatlicher Zahlung sind es 43 % und bei jährlicher 34 %.
Welche Gründe haben nun Verbraucher, die Super Apps von vornherein ablehnen? Das verraten wir euch jetzt.
Super-App-Skeptiker: Eine App, sie zu knechten?
Das Misstrauen gegenüber Super-App-Anbietern bezüglich dem Umgang mit den persönlichen Daten ihrer Nutzer ist in der Bevölkerung offenbar verbreitet, denn auch die dritte Teilnehmergruppe (keine Erfahrung mit Super Apps, aber auch nicht an ihnen interessiert) teilt die Bedenken. Während die Aussage „Ich nutze lieber eigenständige Apps für einzelne Services oder Funktionen, statt sie alle in einer App zu haben” mit 62 % den ersten Platz belegt, sagen 40 %, dass sie kein Vertrauen darin haben, wie Super Apps mit ihren Daten umgehen.
Die Skepsis könnte sich zurückführen lassen, dass der Anbieter einer Super App wesentlich mehr Wissen über einen User sammeln kann als der Anbieter einer herkömmlichen App. So kann die Sorge bei Verbrauchern darüber wachsen, sich zu einem gläsernen Kunden zu machen, der leichter manipulierbar und kontrollierbar ist.
Die Mehrheit scheint in ihrer Ablehnung von Super Apps fest überzeugt zu sein. 57 % gaben an, dass nichts sie dazu bringen würde, sich für Super Apps zu interessieren. Ein Viertel (24 %) würde es sich immerhin überlegen, wenn nachgewiesen wäre, dass personenbezogene Daten sehr gut geschützt werden.
Sind Super Apps die Zukunft?
Wir werden immer digitaler, ziehen aber bequeme Lösungen komplexen Anwendungen vor. Hier überzeugen Super Apps mit einem überschaubaren Design mit ihrer Einfachheit: Sie ersparen dem User das Suchen, Herunterladen und Einrichten von einzelnen Apps, da in einer App alles vereint ist, was man für den täglichen Bedarf und darüber hinaus benötigt.
Immerhin glauben 27 % aller Befragten, dass Super Apps in Zukunft der Standard für die Nutzung von Apps sein werden, und 35 % denken, dass sie genauso beliebt sein werden wie einzelne Apps.
Ob sich die Super-Apps nach asiatischem Vorbild in Europa durchsetzen werden, ob Unternehmen wie oben erwähnt Hybridlösungen entwickeln oder sich sogar ausschließlich auf ihre eigene Branche fokussieren werden, bleibt abzuwarten. Aber ganz egal, in welche Richtung die Reise der Super Apps geht - diese zwei Elemente werden besonders wichtig sein:
- Übersichtliche Designs: Eine große Flut von Mini-Apps in einer Super-App unterzubringen, erfordert viel Platz. Ein intelligentes Design, um das Navigieren für den User nicht zur Qual zu machen, ist ein Muss. Hier können UX-Tools Unternehmen unterstützen.
- Datenschutz: Je mehr ein Nutzer mit einer App tun kann, desto mehr kann die App über ihn erfahren. Mit Datenschutz-Software können Unternehmen sensible Daten entsprechend ihrer Datenschutz- und Compliance-Protokolle erfassen, verarbeiten und verwalten.
Methodologie
Um die Daten für diese Studie zu erheben, hat GetApp im Juni 2023 eine Online-Umfrage durchgeführt. Als Teilnehmer wurden insgesamt 1019 Verbraucher zum Thema Apps & Super App befragt, die Apps mindestens ein paar Mal pro Woche verwenden. Weitere Auswahlkriterien waren:
- Wohnsitz in Deutschland
- Zwischen 18 und 65 Jahre alt