Die Auswirkungen der Corona-Krise erfassen weite Kreise der Wirtschaft. Inzwischen ist die Krise in nahezu allen Branchen spürbar. In erheblichem Maße sind auch klassische Mittelständler bis hin zu den großen Konzernen betroffen. Eigentlich sollte ein gutes Krisenmanagement in Unternehmen selbstverständlich sein. Aber die Corona-Krise zeigt, dass diese Pläne oft unter falschen Prämissen entstehen.
Krisenmanagement in Unternehmen neu denken
Störfälle, Großschadensfälle und Katastrophen dürfen für ein Unternehmen eine möglichst seltene Ausnahme sein. Trotzdem muss es sich auf solche Fälle vorbereiten. Mitarbeiter sollen vor Schaden für Leben und Gesundheit bewahrt und der wirtschaftliche Schaden so klein wie möglich gehalten werden.
Schadensfälle wie ein Großbrand auf dem Firmengelände oder der Ausfall der Systeminfrastruktur treten zumeist als plötzliche Ereignisse auf und verlangen sofortige und zielgerichtete Reaktionen. Die Beschäftigten müssen evakuiert, Produktionsprozesse so gut wie möglich zurückgefahren und besondere Schutzmaßnahmen für empfindliche Anlagen, den Lagerbestand etc. ergriffen werden. Das Krisenmanagement im Unternehmen wird von außen durch Feuerwehr, Rettungsdienste, Polizei, Technische Hilfe unterstützt, wenn die betrieblichen Möglichkeiten erschöpft sind. Für solche Schadensfälle bestehen in den meisten Betrieben Katastrophenpläne, die mit den außerbetrieblichen Institutionen abgestimmt worden sind und in Übungen regelmäßig getestet werden.
Die Besonderheiten einer dynamischen Lage
Was diese Krisenszenarien gemeinsam haben: Sie alle beschreiben zwar eine Katastrophe für das Unternehmen, aber gleichzeitig auch eine statische Situation: eine ausgebrannte Produktionshalle oder eine nicht mehr funktionsfähige Infrastruktur. In diesen Fällen kann das Krisenmanagement an einem „Punkt Null“ ansetzen und damit beginnen, die Krise Schritt-für-Schritt zu bewältigen.
Eine Pandemie unterscheidet sich aber in einigen Punkten von diesen Schadensfällen. Diese sind meistens lokal oder regional begrenzt und beginnen plötzlich (Erdbeben, Orkane, Überschwemmungen oder Großbrände). Eine Pandemie ist ein räumlich und zeitlich nicht begrenztes Ereignis, das sich weiter entwickelt. Vorhersagen über Ausbreitungsrichtung, Geschwindigkeit und Dauer sind nur schwer möglich.
Eine pandemische Lage, wie wir sie im Zuge der Corona-Krise erleben, hat keinen „Punkt Null“, auf dem man sinnvoll aufsetzen könnte. Der Coronavirus verursacht eine „dynamische Lage“, wie es Gesundheitsminister Jens Spahn immer wieder betont. In einer solchen Situation ist es wichtig, die Lage stetig neu zu bewerten und dynamisch zu reagieren. Darauf ist das Krisenmanagement der Unternehmen in den seltensten Fällen wirklich vorbereitet. Das sollte sich nach der Corona-Krise und mit dem Wissen aus dieser Krise schnellstens ändern.
4 Ratschläge für das Krisenmanagement in Unternehmen
Ratschlag 1 – Die betriebliche Pandemieplanung
Von einer Pandemie ist jeder Betrieb betroffen, da seine Mitarbeiter krank werden können oder aus anderen Gründen fehlen (Schulschließungen, Ausgangssperren, etc.). Lieferketten können unterbrochen sein, Rohstoffe und Dienstleistungen für die eigene Produktion können ausbleiben, weil Lkws an den Grenzen festsitzen. Es kann sein, dass fertige Produkte nicht mehr verlangt oder abgeholt bzw. die eigenen Dienstleistungen nicht mehr nachgefragt werden. Es kann aber auch umgekehrt sein, dass die Produkte und Dienstleistungen eines Betriebes gerade im Falle einer Pandemie besonders gefragt sind. Es ist nicht nur das Gesundheitswesen, welches in besonderer Weise beansprucht wird. Die Hersteller von Atemschutzmasken, Desinfektionsmitteln oder Klopapier müssen ihre Produktion kurzfristig hochfahren. Aber auch Dienstleister werden mehr beansprucht, wie die Anbieter eines Pizza-Service oder eines Lieferservices für Lebensmittel. Andere müssen umdenken, um den eigenen Betrieb am Laufen zu halten, wenn beispielsweise die Nachfrage nach Büchern zwar groß ist, der eigene Buchladen aber geschlossen bleiben muss. Zudem gibt es Leistungen, die kontinuierlich weiter erbracht werden müssen, z.B. die Versorgung der Bevölkerung mit Lebensmitteln, Energie und Informationen. Jedes Unternehmen braucht also einen eigenen Plan, um eine solche Krise zu bewältigen.
- Machen Sie sich Gedanken darüber, wie sich eine Pandemie auf Ihr Geschäft auswirkt. Die Nachfrage kann völlig zum Erliegen kommen oder stark ansteigen. Die aktuelle Corona-Krise gibt Ihnen genügend Anhaltspunkte.
- Überlegen Sie sich, wie Sie Ihren Betrieb aufrecht erhalten, insbesondere wenn Sie die Bevölkerung mit lebenswichtigen Produkten und Dienstleistungen versorgen.
- Vergessen Sie nicht, dass auch Maßnahmen notwendig werden können, um die Ausbreitung des Virus selbst zu verlangsamen (z.B. Home-Office). Ernennen Sie zu diesem Zweck einen Pandemie-Beauftragten.
Ratschlag 2 – Die Einsetzung eines Krisenstabes
Die herkömmlichen Führungsstrukturen eines Unternehmens sind im Katastrophenfall oft nicht geeignet, um die Krise zu bewältigen. Es empfiehlt sich daher die Ernennung einer verantwortlichen Person, die als „Leiter Krisenstab“ das Krisenmanagement übernimmt und beispielsweise den Betrieblichen Pandemieplan in Kraft setzt.
Der Leiter des Krisenstabes trifft bei Not- und Katastrophenfällen – also nicht nur im Falle einer Pandemie – nach Beratung mit dem Krisenstab die erforderlichen Entscheidungen. In mittelständischen Unternehmen ist es in der Regel der Unternehmer oder Geschäftsführer. Der Leiter des Krisenstabes muss einen Überblick über die Geschäftsabläufe und mögliche Schwachpunkte haben. Die Einzelvorschläge aus dem Krisenstab laufen hier zusammen und müssen zu einem konsistenten Gesamtplan zusammengeführt werden.
Der Krisenstab erarbeitet Maßnahmen und Konzepte, um die Krise zu bewältigen. Ihm können Personen angehören, die bestimmte Funktionen im Betrieb haben, z. B.: Betriebsleitung, Personal, Finanzen, Werkschutz, Gesundheitsdienst, etc. Die Mitglieder des Krisenstabes erarbeiten für die im Stab festgelegten Aufgaben Lösungen, die anschließend aufeinander abgestimmt werden. In großen Betrieben mit mehreren Betriebsteilen (Werken) werden lokale Krisenstäbe erforderlich sein, die dem zentralen Stab zuarbeiten.
- Sorgen Sie im Katastrophenfall für klare Führungsstrukturen und schnelle Entscheidungen. Ein Brandmeister setzt bei einem Feueralarm auch kein Team-Meeting an.
- Setzen Sie zügig einen Krisenstab ein, der alle relevanten Funktionen im Betrieb abdeckt. Der Krisenstab erarbeitet Lösungen, um die Krise zu bewältigen.
- Im Falle einer Pandemie sollten Sie zusätzlich einen Pandemie-Beauftragten benennen. Er unterstützt den Krisenstab und hält Kontakt zu den Behörden.
Ratschlag 3 – Den Minimalbetrieb aufrecht erhalten
Die Produktion von nicht nachgefragten Gütern oder Produkten, deren Herstellung von der regelmäßigen, aber im Pandemiefall unterbrochenen Nachlieferung abhängt, kann reduziert oder eingestellt werden. Andererseits kann auch eine Intensivierung von Aktivitäten erforderlich sein.
Die Einschränkung der Produktion bzw. des Dienstleistungsangebots muss an zuvor festgelegte Kriterien gebunden sein. Diese sind in erster Linie betriebswirtschaftlich bestimmt (Kosten der Aufrechterhaltung des Betriebs versus Nutzen), können sich aber auch durch äußere Zwänge ergeben (z. B. unterbrochene Lieferketten, Ausgangssperren).
Es ist damit zu rechnen, dass viele Beschäftigte von der Arbeit fern bleiben, so dass eine geregelte Produktion nicht mehr aufrecht erhalten werden kann. Sie muss dann auf besonders wichtige Produkte eingeschränkt oder ganz eingestellt werden. Bei Einschränkungen kann das noch vorhandene Personal für diese Produktion eingesetzt werden. Das gilt natürlich auch für Dienstleistungsangebote. Hier können das Leistungsangebot eingeschränkt oder nur noch bestimmte Kunden bedient werden. Umgekehrt müssen am Ende der Pandemiephase Produktion und Leistungsangebote wieder normalisiert werden. Auch die Normalisierung kann mit erheblichen Anstrengungen verbunden sein.
- Bestimmen Sie die Personen in Schlüsselfunktionen, welche zur Aufrechterhaltung des Betriebs erforderlich sind. Benennen von Ersatzpersonen, die im Krankheitsfall einspringen können. Denken Sie daran, dass unter Umständen innerbetriebliche Prozesse, wie IT, ebenfalls ständig überwacht werden müssen.
- Entscheiden Sie, welches Personal vorübergehend zuhause bleiben soll. Legen Sie Kriterien fest, nach welchen eine Mindest- bzw. Notbesetzung sichergestellt werden kann.
- Ergreifen Sie erforderliche Maßnahmen, um die Mindestbesetzung in besonderer Weise – beispielsweise vor einer Infektion – zu schützen. Überlegen Sie, welche Arbeiten von zu Hause aus erledigt werden können.
Ratschlag 4 – Den Notfallplan konsequent abarbeiten
Je weiter eine Krise anhält und voranschreitet, desto gefährlicher ist sie für das Unternehmen. Rechtzeitige Sanierungs- aber auch Vorsorgemaßnahmen – wie zum Beispiel ein sorgfältig erstellter Notfallplan – können das Unternehmen dann wieder auf Erfolgskurs bringen. Wohl dem, der einen solchen Notfallplan in der Schublade liegen hat.
Hier abschließend einige Beispiele, was ein sorgfältig ausgearbeiteter Notfallplan beinhalten könnte:
- Die ausbleibenden finanziellen Gewinne oder Probleme bei der Kapitalbeschaffung führen in der Folge zur Liquiditätskrise – das schränkt den Handlungsspielraum des Unternehmens ein. Die kurzfristige Liquiditätsbeschaffung gehört deshalb ganz oben auf die Liste der Notfallmaßnahmen.
- Bei Produkten kann es zu Lieferengpässen oder Ausfällen kommen. Legen Sie fest, welche Produkte bzw. Dienstleistungen von außerhalb für Ihr Unternehmen unverzichtbar sind und treffen Sie entsprechende Absprachen mit Ihren Lieferanten.
- Schon bei der Planung kann sich zeigen, dass Lieferanten oder Dienstleister für den Pandemiefall keine Garantie geben können, ihre Produktion oder ihr Angebot aufrecht zu erhalten. Treffen Sie Vereinbarungen mit Lieferanten oder Dienstleistern, die ersatzweise einspringen können.
- Aber auch Ihr Unternehmen hat Verpflichtungen gegenüber anderen Unternehmen, die für den Pandemiefall abgestimmt werden müssen. Erkundigen Sie sich, welche Produkte bzw. Dienstleistungen Sie für Ihre Kunden gewährleisten müssen.
- Denken Sie daran, dass Ihre Gebäudetechnik aufrecht erhalten werden muss. Insbesondere die Notstromversorgung muss regelmäßig auf ihre Funktionstüchtigkeit geprüft werden. Für einen Dieselgenerator sollte beispielsweise ein ausreichender Treibstoffvorrat vorgehalten werden, da es in Katastrophenfällen schnell zu Treibstoff-Lieferengpässen kommen kann.