
Wir haben eine Reihe Vertriebsexperten gefragt, was ihrer Meinung nach die wichtigsten Sales-Trends sind. Dabei haben wir spannende und teilweise unerwartete Einsichten bekommen. Eine davon: „Im Vertriebswesen, der Art, wie verkauft wird, ist vieles im Argen.“
Daniel Barnett, CEO und Gründer von WORKetc, brachte es auf den Punkt: „Kunden sind es leid: Die ständigen Unterbrechungen, endlosen Kontaktanfragen, ungewollten E-Mails, ungefragten Telefonanrufe, höflichen Bitten um ein kurzes Gespräch oder gewollt lustigen Follow-up-Nachrichten. Sie sind es leid.“
Ich erhalte täglich Werbemails, mit denen ich wenig bis nichts anfangen kann. Und auch, wenn sich die Autoren Mühe geben, ihre Ansprache persönlich zu gestalten, gerät es gelegentlich zur Farce: Kürzlich fing eine dieser Mails an mit „Ihr Artikel zum Thema XY hat mir sehr gut gefallen“, doch auf die Frage, was der Person an meinem Artikel besonders gefallen hätte, bekam ich keine Antwort mehr.
Es gibt also ein Problem und im Grunde wissen wir das alle. Die eigentliche Frage ist: Wie kann man es lösen? Bei diesem Thema gibt es kein Patentrezept, aber natürlich kann man trotzdem einiges tun. Einer möglichen Antwort wollen wir uns heute zuwenden: Dem situationsangepassten Vertrieb, auch „Adaptive Selling“ genannt, bei dem das Verkaufspersonal individuell auf die Bedürfnisse und Probleme der Kunden eingeht.
Was ist Adaptive Selling?
Wir sprechen im Grunde von einer Rückkehr zu alten Werten: Adaptive Selling ist eine Methode, die in einer privat und beruflich für viele von Unsicherheit, Ängsten, Komplexität und Unbeständigkeit geprägten Zeit stärker auf Beratung setzen will.
Zu diesem Thema sagt Mike Kunkle, damals VP of Sales Transformation Services bei Fast Lane Digital: „Beim Adaptive Selling passt das Vertriebspersonal seine Verkaufsstrategien je nach Situation und Einstellung der Kunden an.“
Das Adaptive Selling ermöglicht Kunkle zufolge eine bessere Käuferorientierung, die Generierung von mehr Leads und somit einen Wettbewerbsvorteil.
Steve Andersen, Gründer und Vorsitzender des Sales-Beratungsunternehmen Performance Methods, sagt: „Wenn wir dieses Thema mit Kunden besprechen, sehen wir die Notwendigkeit der Anpassung im Wesentlichen durch drei zusammenhängende Faktoren bestimmt:
- Kund*innen (ihre Anpassung und ihren Wandel innerhalb ihrer Märkte).
- Mitarbeiter*innen (und die Kräfte innerhalb des eigenen Unternehmens, die Änderungen vorantreiben).
- Wettbewerber (und die Mittel, die andere Marktteilnehmer einsetzen, um sich gewinnbringend zu positionieren).“
Welche Herausforderungen kann Adaptive Selling überwinden?
Wir haben es bereits gesagt: Die Vertriebsbranche hat ein Problem mit all ihren unpersönlichen Werbemails und nervigen Versuchen, potentielle Kunden anzusprechen. – Das ist aber nicht die einzige Schwachstelle. Einige sind durchaus seit geraumer Zeit bekannt.
Dazu gehören:
- Eine immer weniger lineare Customer Journey
- Die Entstehung neuer Vertriebskanäle
- Die Übernahme klassischer Vertriebsaufgaben durch künstliche Intelligenz
- Eine unsichere, unbeständige Weltwirtschaft und Zukunftsperspektive
Leff Bonney, Associate Professor und Leiter des Carl DeSantis Center for Executive Management an der Florida State University, weist darauf hin, dass Kund*innen sich stark verändert haben. Es ist möglich, dass ein Kunde neue und andere Bedürfnisse hat, sobald er ein anderes Produkt kauft, was bedeutet, dass man sich nicht nur an den jeweiligen Kunden, sondern auch an seine aktuellen (!) Bedürfnisse und Produktwünsche anpassen muss.
Bonney erläutert: „Nehmen wir zum Beispiel ein Krankenhaus. Wenn ein Kunde einen Computer für ein Schwesternzimmer kauft, hat er völlig andere Anforderungen als wenn er Geräte für das ganze Krankenhaus kauft. Viele Kund*innen sind von Vertriebsleuten frustriert, die auf genau die gleiche Weise verkaufen, ganz egal, was gekauft wird und welche Anforderungen der Käufer oder die Käuferin hat. Die Preise und die Komplexität von Angeboten unterscheiden sich und Vertriebsleute sind oft nicht sonderlich gut darin, ihre Strategie an die Kaufanforderungen anzupassen.“
An dieser Stelle wird klar, wieso es sinnvoll sein kann, verschiedene Vertriebsstrategien in petto zu haben und die jeweils passende zu verwenden.
„Wer denkt, es gäbe die eine perfekte Vertriebsmethode, ist auf dem Holzweg – und genau das haben viele lange Zeit geglaubt“, sagt Bonney. „Man kommt jedoch nicht umhin, die Art und Weise des Vertriebs an die jeweilige Situation anzupassen.“
Wie können Unternehmen das Adaptive Selling umsetzen?
Bevor Adaptive-Selling-Methoden eingesetzt werden können, muss oft zunächst ein Umdenken stattfinden: Es geht nicht mehr darum, die „richtige“ Vertriebsmethode fürs eigene Unternehmen zu finden und anschließend das Vertriebspersonal in genau dieser Methode zu schulen. Nur weil man mit einer Vorgehensweise einmal Erfolg hatte oder „es immer so gemacht hat“, muss sie nicht die beste Wahl sein und zum Adaptive Selling gehört es eben auch, sich von liebgewonnenen Methoden lösen zu können. Wem dies schwerfällt, der muss laut Bonney und der Florida State University mit negativen Auswirkungen auf die Vertriebsleistung rechnen: „Als wir 2011 mit unseren Forschungen zu Vertriebsmethoden begannen, fanden wir heraus, dass die erfolgreichsten Vertriebsmitarbeiter*innen häufiger mehrere Methoden einsetzten, während diejenigen mit durchschnittlichen Ergebnissen nur eine Methode nutzten“, sagt Bonney. „Die Erfolgreicheren verfügten über ein besseres Situationsbewusstsein und konnten somit bestimmte Situationen identifizieren und so genauer vorhersagen, wie ein Kunde oder eine Kundin handeln würde.“
Wie aber können Unternehmen diesen Ansatz für das gesamte Vertriebspersonal übernehmen? Bonney zufolge braucht es dafür eine tiefgehende Analyse des eigenen Kundenstamms und der Vertriebsinteraktionen, mit deren Ergebnissen man anschließend typische Muster und Situationen herausarbeiten kann: „Sobald man typische Situationen ermittelt hat, kann man untersuchen, wie die erfolgreichsten Vertriebsmitarbeiter*innen in diesen Situationen handeln und anhand dieser Informationen eine Checkliste erstellen. Diese hilft dem gesamten Vertriebspersonal dabei, wichtige Situationen zu erkennen und über die weitere Vorgehensweise zu entscheiden, beispielsweise indem man aus vier oder fünf Methoden die jeweils passende auswählt.“
Schulungsbedarf
Wer das Adaptive Selling vollständig implementieren möchte, muss auch seine Vertriebstrainingstechniken anpassen: Es reicht nicht mehr aus, Mitarbeiter*innen nur beim Jobantritt Informationen und Schulungen zu bieten. Damit alles reibungslos läuft, müssen regelmäßig vertiefte Weiterbildungen angeboten werden. „Stellen Sie sich eine Spezialeinheit der Armee vor“, sagt Bonney. „Keine Spezialeinheit lernt in einer Woche, ein Schiff gegen Piraten zu verteidigen und in der nächsten Woche das Fallschirmspringen im Dschungel, obwohl sie die erste Technik noch längst nicht beherrscht. Man muss jede Strategie einzeln und mit ausreichend Zeit trainieren – und genauso ist es auch beim Adaptive Selling.“
Auch die Sales-Meetings sollten eine neue Struktur bekommen: „Idealerweise entstehen Diskussionen rund um konkrete Situationen sowie Strategien zum Umgang mit diesen Situationen, statt dass der Fokus nur auf Gewinnen, Verlusten und Zahlen liegt.“
Kunkle glaubt, dass man Schulungen vereinfachen kann, indem man den Mitarbeiter*innen eine „Wenn-Dann“-Vorgehensweise beibringt: Man identifiziert Kundensituationen und wählt die passende Methode aus. Dabei kommen das Sales-Know-how und die Fachkompetenz des Vertriebspersonals zum Einsatz, die Beratung steht im Mittelpunkt. So werden Beziehungen und Vertrauen aufgebaut. Der Vertriebsansatz zielt darauf ab, genau das Ergebnis zu liefern, das die Käufer*innen sich wünschen und brauchen.

Solche Schulungen können auch dazu beitragen, die Arbeitsmoral zu verbessern und die Mitarbeiterfluktuation zu verringern: Beim Adaptive Selling ist das Frustrationspotential nicht nur für die Kunden, sondern vor allem auch für die Mitarbeiter*innen deutlich niedriger als beim Einsatz einer Technik, die eventuell in 80 % der Fälle nicht funktioniert.
Gleichzeitig empfiehlt Kunkle, sich nicht nur auf fundierte Schulungen zu konzentrieren, sondern auch die Zeit danach gut zu planen. Er rät zu einem fünfstufigen Vorgehen, das Mitarbeiter*innen vom Wissens- und Fähigkeitserwerb bis hin zum Anwenden und Beherrschen in der Praxis leitet.

Es gibt ein großes Angebot an Software zur Vertriebsunterstützung, die zur erfolgreichen Umsetzung dieser Prozesse beitragen kann.
Vorteile des Adaptive Selling
Mit Adaptive Selling verschaffen sich Unternehmen einen entscheidenden Wettbewerbsvorteil bei der Kundenzufriedenheit. Kund*innen wollen über das eigentliche Produkt hinaus einen Mehrwert, und genau diesen kann das Vertriebspersonal ihnen mit diesen Methoden bieten.
„Einige Kunden wollen von Verkäufern darauf hingewiesen werden, wenn etwas an ihren Annahmen oder in ihren Prozessen nicht stimmt. Sie wollen von jemandem herausgefordert werden“, sagt Bonney. „Andere wollen einen Produktpitch erhalten, also genau die Methode, von der viele Vertriebsratgeber abraten – dann müssen Sie Ihre Kund*innen darüber informieren, warum Ihr Produkt besser ist als das der Konkurrenz. Die Kundschaft weiß es zu schätzen, wenn Sie gewillt sind, unterschiedliche Ansätze zu verfolgen.“
Neben diesen Vorteilen macht das Adaptive Selling es leichter, den Vertrieb mit anderen Abteilungen und dem Unternehmen als Ganzes auf eine Linie zu bringen.
„Der Fokus liegt auf den Kund*innen und darauf, wie sie sich in unterschiedlichen Situationen verhalten und wie sich das gesamte Unternehmen anpassen kann, um ihnen besser zu Diensten zu sein. Das kommt allen zugute und macht es leichter, Kundenbedürfnissen gerecht zu werden“, sagt Bonney.
Nächste Schritte
Eine der Möglichkeiten zum besseren Identifizieren häufiger Vertriebssituationen und zum Entwickeln von Strategien für das Vertriebspersonal besteht darin, Kundendaten in einem CRM- oder Vertriebsmanagement-System zu erfassen und zu analysieren.
GetApp bietet einige Ressourcen, die dabei von Nutzen sein können:
- Das GetApp-Verzeichnis listet unterschiedliche Softwareoptionen für das Vertriebsmanagement, die nach Preismodellen, unterstützten Geräten, Kundenbewertungen und mehr durchsucht werden können.
- Außerdem bietet GetApp eine Liste von Lernmanagement-Systemen (LMS-Software), die Unternehmen dabei unterstützen können, das Vertriebspersonal erfolgreich zu schulen.
- Unabhängige Nutzerbewertungen aller Softwareoptionen sorgen für eine gute Vergleichbarkeit.