Im ersten Teil dieser Recruiting Studie haben wir uns mit dem Thema Recruiting aus der Sicht von HR-Experten beschäftigt. Dabei haben wir uns mit dem Thema Arbeitskräftemangel sowie der Frage beschäftigt, wie Unternehmen den Recruiting-Prozess ausgestalten. Jetzt wechseln wir die Perspektive. Wie sehen Bewerberinnen und Bewerber das Thema? Was ist ihnen wichtig? Warum entscheiden sie sich für ein Unternehmen und welche Erfahrungen machen sie im Bewerbungsprozess? Außer Jobplattformen, welche Möglichkeiten haben Unternehmen noch, um potentielle Kandidaten auf sich aufmerksam zu machen?
In diesem Artikel
Um uns den Antworten auf diese und andere Fragen anzunähern, haben wir in unserer Recruiting Studie die Antworten von 358 Teilnehmern ausgewertet, die in den letzten 12 Monaten einen Bewerbungsprozess durchlaufen haben. Die vollständige Studienmethodik befindet sich am Ende des Artikels.
Flexibilität ist der wichtigste Faktor in Stellenanzeigen
Gehen wir davon aus, dass es einem Unternehmen gelungen ist, mit seiner Stellenausschreibung wahrgenommen zu werden. Bewerberinnen und Bewerber nehmen die Ausschreibung also bewusst wahr. Wir wollten wissen: Aus welchen Gründen entscheiden sie sich nun für oder gegen eine Bewerbung?
Hier fällt sofort ins Auge, dass die Möglichkeit, sich die eigene Zeit flexibel einteilen zu können, der entscheidende Faktor ist, ob eine Bewerbung erfolgt oder nicht. Die Höhe des Gehalts liegt erstaunlich deutlich dahinter zurück (32 %) und fast auf einer Ebene mit anderen wichtigen Gründen wie der Unternehmenskultur (28 %).
Wir vermuten hier die Auswirkungen der Pandemie. Vorher gab es die Möglichkeit zur flexiblen Zeiteinteilung nur in einigen wenigen Jobs. In der Pandemie flexibilisierten sich die Arbeitsverhältnisse räumlich und zeitlich. Damit wurde in vielen Unternehmen der Beweis in der Praxis erbracht, dass diese Flexibilisierung möglich ist – und viele Bewerberinnen und Bewerber wollen heute nicht zur Arbeitsweise „davor” zurückkehren.
Warum nehmen Kandidaten eine Stelle an? Warum lehnen sie ab?
Sich auf eine Stelle zu bewerben ist eine Sache – sie auch anzunehmen, ist eine andere. Deshalb wollten wir mehr darüber wissen, warum sich unsere Teilnehmer für oder gegen Stellenangebote entschieden haben.
Bei der tatsächlichen Entscheidung für oder gegen eine Stelle steht das Gehalt an erster Stelle. Von den Befragten, die mindestens ein Angebot erhalten und schließlich angenommen haben, gaben 32 % an, dass das Gehalt der Grund für ihre Entscheidung war. Bei denjenigen, die ein oder mehrere Angebote abgelehnt haben, erklären 41 %, dass die Stelle nicht ihren Gehaltsvorstellungen entspricht. Dass das Gehalt am Ende doch so ausschlaggebend zu sein scheint, ist nachvollziehbar. Wie viel Geld verdient wird, entscheidet am Ende maßgeblich mit, welches Leben die Mitarbeiter führen können (Welchen Lebensstil können sie sich leisten? Welche Chancen können sie ihren Kindern bieten?).
Direkt nach der Höhe des Gehalts geht es um die Stelle selbst: 18 % haben eine Stelle aus diesem Grund angenommen, 12 % abgelehnt. Überraschend ist dies nicht: Immerhin geht es hier darum, was die Bewerber künftig den ganzen Tag lang machen werden – sowie die Übereinstimmung mit persönlichen Wünschen und Karrierezielen.
Jobsuche und persönliche Netzwerke
Zum Einstieg haben wir vorausgesetzt, dass es gelungen ist, die Bewerberinnen und Bewerber auf eine Stelle aufmerksam zu machen – aber so einfach ist das natürlich nicht. Ein Weg, um so viele Kandidaten wie möglich zu erreichen, ist die Kanäle zu nutzen, in denen diese von sich aus nach einer neuen Position suchen. Danach gefragt, gaben die Teilnehmer uns diese Antworten:
Die beiden in Deutschland erfolgreichsten Online-Stellenbörsen stehen dicht hintereinander ganz oben. Interessant sind aber auch die hohen Ergebnisse für die drei folgenden Antworten, bei denen auch das persönliche Netzwerk der Kandidaten eine Rolle spielt: Social Media (32 %), Durch jemanden, den ich kenne (32 %), LinkedIn (24 %).
Diskriminierung: Immer noch ein häufiges Hindernis
Die Recruiting Studie zeigt ein weiteres herausstechendes Ergebnis: Knapp ein Drittel der Befragten (32 %) gab an, dass sie im Verlauf von Bewerbungsverfahren bereits Diskriminierung erlebt haben. Wir wollten zudem wissen, welche Art von Diskriminierung.
Auf das Geschlecht bezogene Diskriminierung ist bei weitem die häufigste Nennung, gefolgt von Diskriminierung aufgrund des Alters. Dass Diskriminierung für so viele Bewerber ein Teil des Erlebnisses im Bewerbungsprozess ist, gibt Anlass zum Nachdenken. Für Unternehmen schon aus Eigeninteresse: 37 % der Befragten gaben an, infolge dieser Erfahrung aus dem Bewerbungsprozess ausgeschieden zu sein, 29 % teilten ihre Erfahrung über soziale Netzwerke oder Seiten wie Glassdoor. Das ist gleich ein doppeltes Problem. Das Unternehmen erleidet einen Imageschaden und riskiert dadurch potenzielle Bewerber abzuschrecken.
Immerhin sagten 42 % der Befragten, dass sie auch jemanden innerhalb des betreffenden Unternehmens über den Vorgang informiert haben.
Was können wir sonst noch über den Rekrutierungsprozess in unserer Recruiting Studie lernen?
Unsere Recruiting Studie ergab noch eine Reihe anderer interessanter Einsichten, die wir euch hier nicht vorenthalten wollen.
38 % bekamen das Job-Angebot in unter 2 Wochen
Wir sehen: Der Bewerbungsprozess läuft heutzutage typischerweise sehr schnell; vermutlich auch aufgrund der Möglichkeit, einen Teil des Prozesses via Videocall remote zu organisieren. Dies vereinfacht und beschleunigt die Terminabsprache (z. B. durch wegfallende Anfahrten und freiere Zeiteinteilung).
So sieht ein guter Prozess für Bewerber aus
Was ist den Kandidaten im Rekrutierungsprozess wichtig?
Das Thema hier ist Transparenz! Kandidaten wollen wissen, was ihre Aufgaben sein werden, was sie verdienen werden und wie das Bewerbungsverfahren ablaufen wird. Außerdem wollen sie nicht für jede Bewerbung den gleichen Lebenslauf in drei neue Systeme eingeben.
Do’s and Don’ts
Abschließend wollten wir von den Teilnehmern wissen, womit sie sich im Rekrutierungsprozess wohl oder unwohl fühlen. Hier die Ergebnisse:
Kandidaten teilen persönliche Informationen eher ungern und lassen sich nicht gerne aufzeichnen. Gespräche sollten sich auf relevante Fragen fokussieren, Videoaufzeichnungen nur dann eingesetzt werden, wenn dies unumgänglich ist. Und weiter: Der Großteil der Befragten sieht kein Problem darin, direkt über Geld zu reden – auch wenn das früher einmal als Tabu galt. Geld ist wichtig für beide Seiten. Wir glauben, je eher das Thema geklärt ist, desto besser.
Methodik
An der Recruiting Studie in Deutschland haben 358 Befragte teilgenommen, die die folgenden Eigenschaften aufwiesen:
- Im letzten Jahr einen Einstellungsprozess durchlaufen
- Zwischen 18 und 65 Jahre alt
- Vollzeit oder teilzeit angestellt
- In einem Unternehmen mit 2-250 Mitarbeitern angestellt